„Perspektive Republike Hrvatske nakon ulaska u Europsku uniju“

„Kroatien nach dem Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen“

Staatssekretär Andrej Plenković

München, 13. September 2011

Die Beitrittsverhandlungen und Kroatien heute

Es freut mich ganz besonders, aus heutigem Anlaß hier sprechen zu können, und noch mehr so, wenn man die aktuellen außenpolitischen Erfolge der Republik Kroatien bedenkt. In diesem Sommer feierte Kroatien nicht nur den 20. Jahrestag seiner Unabhängigkeit sondern auch die Beendigung seiner EU-Beitrittsverhandlungen, die beinah 6 Jahre dauerten.
Es ist heute wirklich eine gute Zeit, um über die Zukunft Kroatiens zu sprechen.
Vor sechs Jahren, als wir die Beitrittsverhandlungen antraten (Oktober 2005), hatte die Republik Kroatien vier strategische außenpolitische Ziele:
-     Wahl zum nichtständigen Mitglied des UNO-Sicherheitsrates;  Mitgliedschaft in der NATO;  Mitgliedschaft in der Europäischen Union; und keineswegs weniger wichtig: Festigung der Stabilität in Südosteuropa.
Die Umsetzung dieser Prioritäten war für uns die Grundlage für einen besseren Lebensstandard der kroatischen Bürger in einem modern eingerichteten Staat. Kroatien wollte sich global für seine Zukunft positionieren.
Vor drei Jahren wurde Kroatien zum nichtständigen Mitglied des UNO-Sicherheitsrates für den Zeitraum 2008/2009.
Daraufhin wurden wir am 1. April 2009 Mitglied der NATO. Zu der Zeit stieg Kroatien zu einer neuen, höheren Entscheidungsebene in der Weltpolitik auf, und seine Stimme gewann an Gewicht. Wir übernahmen größere Verantwortung zusammen mit einer aktiveren Rolle und einflußreicher Stellung innerhalb der internationalen Gemeinschaft.
Als wir am 30. Juni dieses Jahres in Brüssel formal den Verhandlungsprozeß über den EU-Beitritt beendeten, kamen wir zum Ende eines langen historischen Prozesses.

Über die Verhandlungen

Der Verhandlungsprozeß war intensiv und manchmal schwierig, insbesondere im Hinblick auf die Auswirkungen der globalen Finanzkriese auf Kroatien. Oft mussten schwerwiegende politische Entscheidungen getroffen werden.
Darüber hinaus fielen die Verhandlungen in einer Zeit, in der die Europäische Union selbst einer Reihe von internen Herausforderungen gegenüberstand: die Ablehnung der europäischen Verfassung und damit verbundene institutionelle Krise, die lange EU-Debatte über den Lisabon-Vertrag, die globale Wirtschafts- und Finanzkrise. Unter diesen Umständen war eine besondere Herausforderung, das Interesse der Union an der Erweiterung im Allgemeinen und am kroatischen Verhandlungsprozeß aufrecht zu erhalten.

Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass Kroatien der erste EU-Beitrittskandidat ist, die Verhandlungen nach einer neuen und viel komplexer Methodologie führte, mit den sog. Benchmarks, nach der jeder Schritt im Beitrittsprozeß an genau bestimmten und streng definierten Verpflichtungen und Voraussetzungen gemessen wurde, die wir konsequent und kontinuierlich erfüllen mussten.
Das machte den Prozeß noch komplexer und zeitaufwendiger, aber auch unseren Erfolg des Verhandlungsabschlusses um so größer: Mit mehr als 130 erfüllten Benchmarks und Anforderungen besteht wirklich keine Zweifel, daß wir heute, beinah sechs Jahre nach Verhandlungsbeginn, völlig zur EU-Mitgliedschaft bereit sind.

Reformen und Monitoring

Die von uns im Rahmen der Annäherung an die EU vorgenommenen Reformen sind nachhaltig und irreversibel, und wir arbeiten weiterhin tüchtig an ihnen, sowie an allen anderen Verpflichtungen, die wir übernommen haben, und beweisen damit zusätzlich unsere Glaubwürdigkeit. Wir gehen davon aus, daß wir uns in den Verhandlungen als ein glaubwürdiger europäischer Partner bewiesen haben, und wir bleiben auch weiterhin mit der Umsetzung der Reformen und der Verwirklichung der europäischen Standards befaßt.

Auch Kanzlerin Merkel hat während ihres Besuchs in Kroatien am 22. August betont, dass der Abschluss der Beitrittsverhandlungen zwischen Kroatien und der EU ein großer und von Kroatien verdienter Erfolg ist.

Zugleich hat die Kanzlerin eine klare Botschaft nach ganz Südosteuropa geschickt und zwar mit folgenden Wörtern:

„Der Beitritt Kroatiens kann eine Signalwirkung für andere Länder haben. Wir wollen, dass alle Länder im westlichen Balkan eine Perspektive haben. Aber Kroatien hat das auch erlebt: Es gibt keinen Bonus beim Beitritt, sondern alle Bedingungen müssen erfüllt sein.“

Südosteuropa

Der Abschluss der Verhandlungen zwischen der Republik Kroatien und der EU im Juni dieses Jahres ist ein klares Zeichen und eine Botschaft für Südosteuropa, daß es möglich ist, diesen Prozeß erfolgreich zu beenden und die Reformen umzusetzen, indem man sich an die strenge Umsetzung der politischen Beitrittsbedingungen und des gemeinschaftlichen EU-Besitzstandes hält.
Wie am Anfang erwähnt, ist die Stabilität der Region unsere Priorität. Nach den Verhandlungen bemüht sich Kroatien weiterhin, die Region zu stabilisieren. Unsere konkrete Unterstützung für die Zukunft der Region basiert auf der Unterstützung der europäischen Perspektive aller unseren sudosteuropäischen Nachbarstatten, (ohne den Prozess durch ungelöste bilaterale Angelegenheiten zu belasten).
Rückblickend und von unserer eigener Erfahrung ausgehend, als es wegen der Miteinbeziehung bilateraler Fragen zu einer monatelangen Blockade unseres Verhandlungsprozesses kam, glauben wir, zusammen mit dem benachbarten Slowenien einen neuen Standard und ein Modell zur Beilegung bilateraler Fragen in unserer Region geschaffen zu haben. Wir haben im Klima des Dialogs und des gegenseitigen Vertrauens die Hindernisse beiseite gelegt und die unbehinderte Weiterführung der Verhandlungen ermöglicht.

Der Einfluß der künftigen EU-Mitgliedschaft Kroatiens ist von entscheidender Bedeutung  im Hinblick auf die regionale Sicherheit und Stabilisierung Südosteuropas. Unsere Aufgabe in der kommenden Zeit ist, noch stärker die Staaten der Region zu unterstützen und sie zu den Reformen zu motivieren, denn die Reformen haben eine starke stabilisierende und entwicklungsbezogene Dimension. Es ist unsere Priorität, alles zu tun, um mit unserer Erfahrung, unserem Einfluss und unseren Beispiel die europäische Perspektive für Südosteuropa näher rücken zu lassen.
Diese EU-Perspektive ist die einzige, die Stabilität in der Region schaffen kann. Dieses Engagement verlangen wir von uns selbst und auch das verlangt die Europäische Union von uns. Südosteuropa war früher eine schwierige Region. Heute ist sie die Region der Zusammenarbeit, der neuen Perspektiven und des Fortschritts. Unsere Aufgabe ist, den Fortschritt zu erleichtern und auch zu beschleunigen.
Nun möchte ich noch darstellen, welche Schritte bis zum kroatischen EU-Beitritt  im Sommer 2013 zu erfolgen haben.

EU-Beitrittsvertrag

In Kroatien wird zurzeit am Entwurf des Beitrittsvertrags gearbeitet, dessen Unterzeichnung Anfang Dezember 2011 erwartet wird. Morgen (den 14. September) wird der konsolidierte Vertragsentwurf zur politischen Bewilligung den Ständigen Vertreter bei der EU (COREPER) vorgelegt.

Nach der endgültigen Meinung der Europäischen Kommission über unseren Beitrittsantrag (Oktober) und der Einwilligung des Europäischen Parlaments zum Beitritt der Republik Kroatien, trifft der Europäische Rat einstimmig die Entscheidung über die Aufnahme Kroatiens.

Im Dezember 2011 erwarten wir die Unterzeichnung des Beitrittsvertrags.

Nach dem erfolgten Ratifikationsverfahren wird Kroatien zum 28-sten Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Wir glauben, daß die Ratifikation des Vertrags durch die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten ohne große Verzögerung verlaufen wird, damit das indikative Datum - 1. Juli 2013 – als wirkliches Datum des EU-Beitritts Kroatiens umgesetzt werden kann.

Referendum

Die endgültige Entscheidung über die Mitgliedschaft Kroatiens in der Europäischen Union wird von den kroatischen Bürgern im Referendum getroffen, das nach der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags stattfindet.

In Kroatien ist deshalb eine intensive Informationskampagne im Gang, mit welcher wir der kroatischen Öffentlichkeit glaubwürdige und objektive Tatsachen über die EU-Mitgliedschaft anbieten und sie auffordern, in möglichst großer Zahl beim Referendum zu erscheinen und dem Beitrittsprozess  zusätzliche Legitimität zu verschaffen. Laut Umfragen in den letzten sechs Jahren unterstützen die kroatischen Bürger europäische Integration kontinuierlich. Die Unterstützung variierte zwischen 55% und 65%. Dem entsprechend sehen wir mit Optimismus dem Ausgang des Referendums entgegen.

Institutionen der Republik Kroatien

Ferner stehen der Republik Kroatien beträchtliche institutionelle und organisatorische Veränderungen im Sinne der künftigen Koordinierung der EU-Angelegenheiten bevor. In den nächsten zwei Jahren haben wir alle möglichen institutionellen Einzelheiten zu regeln, um an dem Tag, an dem wir zum vollen EU-Mitglied werden, völlig bereit zu sein.

Ich versichere Ihnen, daß wir lange auf diesen Tag gewartet haben. Ich spreche für alle meine Kolleginnen und Kollegen in der Staatsverwaltung, wenn ich sage, daß uns das Planen der ganzen Veränderungen nach dem Beitritt mehr ein Vergnügen und Erfrischung als Arbeit sein wird.

Zum Schluß

Jahrhundertelang war Kroatien ein Teil des europäischen kulturellen und historischen Kreises. Heute sind wir stolz, wenn wir zurück blicken und sehen, was wir zustande gebracht haben: von einem kriegszerstörten Land in den 90-er Jahren bis zum bald vollen EU-Mitglied. Es ist bisher abermals wiederholt worden, aber ich möchte es jedoch auch heute hier in München sagen: Die Republik Kroatien schätzt die Unterstützung hoch, die Deutschland, und ganz besonders Bayern, der Republik Kroatien kontinuierlich vom Beginn der Beitrittsverhandlungen geleistet hat.
Und genau das wurde heute durch mein Gespräch mit der Ministerin für Bundes-und Europaangelegenheiten Frau Emilia Müller bestätigt. Als Ko-Vorsitzende der Ständigen Kommission Kroatien – Bayern haben wir über alle Bereiche der Kooperation gesprochen und zwar im Lichte der Tatsache, dass nächstes Jahr die Kommission 40 Jahre seit ihrer Gründung feiert.
Die Jubiläumssitzung wird in 2012 in Zagreb stattfinden.