Die Welt – Im Gespräch: Kroatiens Ministerpräsident Ivo Sanader

Im Gespräch: Kroatiens Ministerpräsident Ivo Sanader "Die slowenische Erpressung ist nicht im Geist der Gründungsväter" Nach dem Beitritt zur Nato herrscht in Kroatien Aufbruchstimmung auf dem Weg in die Europäische Union Kroatiens Premier Ivo Sanader ist felsenfest davon überzeugt, dass sein Land planmäßig 2011 der EU beitreten wird. Nina Mareen Spranz sprach mit ihm über die Hindernisse auf dem Weg dorthin und die Vorbildfunktion Kroatiens.

Die Welt – Im Gespräch: Kroatiens Ministerpräsident Ivo Sanader "Die slowenische Erpressung ist nicht im Geist der Gründungsväter" Nach dem Beitritt zur Nato herrscht in Kroatien Aufbruchstimmung auf dem Weg in die Europäische Union Kroatiens Premier Ivo Sanader ist felsenfest davon überzeugt, dass sein Land planmäßig 2011 der EU beitreten wird. Nina Mareen Spranz sprach mit ihm über die Hindernisse auf dem Weg dorthin und die Vorbildfunktion Kroatiens. Die Welt: Bei Ihrer Regierungserklärung 2008 haben Sie zwei strategische Ziele genannt: Nato-Mitgliedschaft und EU-Beitritt. Das erste Ziel ist abgehakt. Was bedeutet die Nato-Mitgliedschaft für Kroatien? Ivo Sanader: Sehr viel. Wir sind einer Gemeinschaft beigetreten, mit der wir die gleichen Werte teilen. Kroatien gehört zu den Ländern, die Werte wie Frieden, Demokratie, Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und freie Marktwirtschaft teilen und auch verteidigen. Das war für mich das ureigenste Ziel. Aber, ja, wenn man sich die Ereignisse der 90er-Jahre anschaut, ist es für Kroatien auch wichtig, kollektiven Schutz zu genießen. Gerade in dieser Zeit, wo es unkonventionelle Angriffe gibt, Terrorismus und Cyberattacken. Welche konkreten Aufgaben hat die Nato Kroatien zugeteilt? Sanader: Wir haben in Afghanistan etwa 280 Soldaten derzeit stationiert, wir wollen in diesem Jahr noch bis 300 erhöhen. Und wir waren sowohl in Afghanistan als auch im Irak in die Polizeiausbildung involviert. Was wahrscheinlich nur wenige wissen: Kroatien ist führend auf dem Gebiet der Forensik. Und diese Dienste haben wir schon in Afghanistan und im Irak zur Verfügung gestellt und werden sie auch jetzt Italien nach dem schrecklichen Erdbeben anbieten. Wie sehr wird Kroatien von der Nato-Mitgliedschaft auf dem Weg in die EU profitieren? Sanader: Alle zehn Staaten, die 2004 der EU beitraten, waren vorher Mitglieder der Nato. Diesen Weg wird auch Kroatien gehen. Nun hat Kroatien auf dem Weg in die EU noch einige große Hürden zu überwinden. Da ist der Grenzstreit mit Slowenien um den Zugang zu internationalen Gewässern. Ohne Lösung kein Beitritt. Sanader: Halten wir uns an die Tatsachen: Ja, es gibt einen Grenzstreit. Dieser Streit ist nicht entstanden, nachdem Slowenien der Nato und der EU beigetreten war, sondern den gab es schon vorher. Diese offene bilaterale Frage hat Slowenien nicht daran gehindert beizutreten, obwohl es zu der Zeit sogar vielleicht noch viel wichtiger gewesen wäre, die Grenze zu klären, denn schließlich handelte es sich damals um eine EU-Außengrenze. Mit dem Beitritt Kroatiens wird es eine EU-Innengrenze. Wenn Slowenien damals beitreten konnte, dann muss es heute auch Kroatien können. Hat Slowenien beim Nato-Beitritt nicht auch versucht, gegen Kroatien zu intervenieren? Sanader: Ja, man hat versucht, ein Referendum zu organisieren. Aber sowohl die Nato-Führung als auch alle Mitgliedstaaten - außer Slowenien natürlich - haben gesagt, dass das nicht geht. Steckt für Slowenien vielleicht noch mehr dahinter? Sanader: Ich habe keine Ambitionen, darüber zu spekulieren. Ich finde nur, dass diese Politik eine falsche ist. Wir haben in dieser Woche die kroatische Flagge vor dem Nato-Hauptquartier in Brüssel gehisst, und ich habe in meiner Ansprache ganz klare Botschaften nach Belgrad und Sarajewo und zu allen anderen in der Region geschickt: "Jetzt, wo Kroatien in der Nato ist, kehren wir euch nicht den Rücken zu. Sondern wir wollen eure Fürsprecher sein." Und ich erwarte von Slowenien, nicht die Lage des Mitgliedstaates der EU für eigene Zwecke zu nutzen, sondern Kroatien zu unterstützen. Das ist die richtige Politik, und ich kann mir nicht vorstellen, dass die derzeitige Erpressung Sloweniens im Geist der Gründerväter wäre. Wie wird das Grenzproblem nun gelöst? Per EU-Vermittlung oder Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag? Sanader: Herr Ahtisaari hat in dieser Woche gesagt, er ziehe sich aus dem Fall zurück, wenn es nicht um Mediation, sondern um ein Urteil geht. Wenn man einen solchen Grenzstreit politisch lösen möchte - drei Politiker setzen sich an einen Tisch und verhandeln -, das kann nur Probleme geben, das ist meine tiefste Überzeugung. Denn bei so einer Mediation kann das unzufriedenere der beiden Länder ein Referendum organisieren, und man fängt immer wieder von vorne an. Und wenn man eine Entscheidung vor dem Internationalen Gerichtshof erreicht, dann ist die rechtlich verbindlich, und der Streit ist ein für allemal gelöst. Nun sagt Slowenien aber, es hat den Anschein, dass Kroatien die besseren juristischen Karten hat. Ja und? Heißt das, dass wir, weil wir die besseren Argumente haben, jetzt auf eine Lösung in Den Haag verzichten sollen? Wo ist denn die Lösung? Slowenien will nicht nach Den Haag, und Kroatien will keine politische Lösung. Sanader: Der Internationale Gerichtshof hat bisher mehr als 50 Fälle von Grenzstreitigkeiten gelöst. Die Experten dort klären das Problem, in ein, zwei oder drei Jahren, während wir weiterkommen können. Abgesehen vom Grenzstreit, ist für den Beitritt auch die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption ein wichtiger Punkt. Welche Fortschritte gibt es zu verzeichnen? Sanader: Wir haben die jüngsten Morde aufgeklärt. Wir haben zwei neue Minister bestellt, einen neuen Polizeichef und einen neuen Mann an der Spitze des Sicherheitsdienstes ernannt. Und diese Leute sind gewillt, mit den Nachbarstaaten noch enger zu kooperieren, weil uns allen klar sein muss, dass die organisierte Kriminalität keine Ländergrenzen kennt. Wie sehr ärgert es Sie eigentlich, dass ein Land wie Bulgarien schon in der EU sein darf und sie dafür umso strenger kontrolliert werden, weil die EU nicht den gleichen Fehler zwei Mal machen will? Sanader: Gar nicht, weil es bei uns große Fortschritte gibt im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität. Und das ist doch, was zählt. Man muss ein Land an der Entschiedenheit messen, mit der es vorgeht. Wir machen das nicht für die Europäische Union, sondern für uns, für unser Land, für unsere Bürger und Gäste. Denken Sie, trotz aller offenen Fragen, dass der Beitritt Kroatiens 2011 zur EU noch realistisch ist? Sanader: Ich glaube absolut daran und bin mir sicher, dass wir bis Ende 2009 alle Kapitel so weit geklärt haben, dass wir bis 2011 beitreten können. Uns wäre gleich der 1. Januar am liebsten. www.welt.de ; Die Welt (11. April 2009)

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