Interview mit Prof. Dr. Zoran Jasic, Botschafter der Republik Kroatien in Österreich

Interview mit Prof. Dr. Zoran Jasic, Botschafter der Republik Kroatien in Österreich

CD: Herr Botschafter, Österreich war stets konsequent für einen raschen EU-Beitritt Kroatiens eingetreten. Wie ist diesbezüglich derzeit die Stimmung in Kroatien, nachdem die Verhandlungen auf Eis gelegt werden? Wir danken der Republik Österreich für die Unterstützung Kroatiens auf dem Weg in die EU. Praktisch schon länger als 10 Jahre bemühen wir uns, eine vollwertige EU-Mitgliedschaft zu erlangen. Ein wichtiger Annäherungsschritt Kroatiens an die EU war die Unterzeichnuung des Stabilisierungs-und Assoziierungsabkommens (SAA) im Oktober 2001. Kroatien ist um alle Anforederungen für den Beginn der Verhandlungen mit der EU bemüht (Implementierung von Aquis Communautaire und Erfüllung von Maastricht Kriterien). Mit 46% des Durchschnitts des BIP der EU schneiden wir gut im Vergleich zu einigen neuen Mitgliedern ab, sowie denjenigen, die im Jahre 2007 den Beitritt erwarten. Die Verzögerungen der Verhandlungen für die volle EU-Mitgliedschaft ermuntern uns zu mehr Geduld. CD: Welche Schritte setzt die kroatische Regierung, um die Verhandlungen wieder auf Kurs zu bringen? Wird Kroatien mit dem UN-Gericht wegen der Ergreifung und Auslieferung eines Generals an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag kooperieren? Kroatien kooperiert ständig mit dem Haager Kriegsverbrechertribunal angesichts der Auslieferung des Generals. Um eine vollkommmene Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal zu erreichen, intensivierte die kroatische Regierung neulich Massnahmen im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, durch die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten und die Zusammenarbeit mit Interpol. CD: Kroatien war durch die Kriegsgeschehnisse schwer betroffen – wie weit hat sich das Land erholt? Ist überhaupt noch etwas davon zu bemerken? Durch die Kriegsgeschehnisse hat Kroatien schwer gelitten. In Agression sind mehr als 15 000 Menschen ums Leben gekommen. Noch immer weiss man nichts über das Schicksal von mehr als 1000 Menschen, die als Vermisste gelten. Der direkte Schaden der Kriegszerstörung in der Wirtschaft und Infrastruktur, bei den Kulturdenkmälern und Kirchen, werden auf 37 Mrd. USD geschätzt. Den Schätzungen nach sind die indirekten Schaden jedoch viel grösser. Mit allen unseren Bemühungen ist es uns erst jetzt gelungen, nur 90% des BIP vom Jahr 1989 zu erreichen. Besonders schwierig ist die Situation der Industrie, wo ein Niveau von 67% im Vergleich zum Jahr 1989 erreicht wurde. CD: Der Fremdenverkehr ist einer der Hauptwirtschaftszweige in Kroatien – auf welchem Level bewegt sich das touristische Angebot? Dem Fremdenverkehr in Kroatien wird immer mehr eine grössere Bedeutung in der wirtschaftlichen Entwicklung beigemessen und man versucht, die Angebotsqualität der touristischen Dienstleistungen zu erhöhen. Viele Hotels und touristische Destinationen sind durch ausländische Hotelketten privatisiert worden, dies trägt zur Qualitätsverbesserung bei. Die österreichischen Hoteliers haben insbesondere in Istrien durch Hotelkäufe zur Qualitätserhöhung beigetragen. Das Jahr 2004 hat sich eindrucksvoll gezeigt. Kroatien – ein Land mit mehr als 1000 Inseln – hat sich erfolgreich an die Spitze des touristischen Verkehr etabliert. Im Jahr 2004 besuchten Kroatien mehr als 9 412 276 Urlauber, davon waren 740 960 österreichische Touristen. CD: Bereits jetzt ist Österreich mit etwa einem Viertel aller bisherigen Auslandsinvestitionen seit der Unabhängigkeit Kroatiens an erster Stelle der Investorenländer. Die bilateralen Beziehungen sind offensichtlich gut. In welchen Bereichen wird am meisten investiert? Österreich hat sich mit Investitionen in der Höhe von ca 2,47 Mrd. USD, somit einem Anteil von ca. 25% an den Gesamtinvestitionen seit 1993, als grösster ausländischer Investor positioniert. Die meisten Direktinvestitionen flossen in Banken- und Versicherungen sowie in Handelskettenbereich. Angesichts des grossen Handelsdefizits Kroatiens mit Österreich in Höhe von 451 Mio. USD muss man Anstrengungen machen, um kroatische Exporte nach Österreich zu erhöhen. CD: Können Sie die potentesten österreichischen Investoren nennen? Kroatien ist daran interessiert, in der Metall- und Holzverarbeitenden Industrie, Automobilbranche sowie im Umweltschutz- und Tourismussektor, die Investoren aus Österreich anzuziehen. Die Österreichisch-Kroatische Wirtschaftskammer bemüht sich, wichtige Businesskontakte für kroatische und österreichische Firmen zu schaffen. Hilfsreich sind dabei die Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Steiermark und einzelnen Regionen in Kroatien. CD: Wie lange sind sie bereits in Österreich und welche Aktivitäten setzen Sie hier für ihr Heimatland? Ich bin seit fast acht Monaten in Österreich. Neben den üblichen diplomatischen Aktivitäten bemühe ich mich, in diesem gegenüber Kroatien freundlichem Land die Beziehungen auf den wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Bereichen zu vertiefen. CD: Was würden Sie gerne in den Beziehungen zwischen Kroatien und Österreich noch verbessern? Die Verringerung des Handelsbilanzdefizits in unserem Handel mit Österreich ist eine grosse Herausforderung in meiner Tätigkeit als Botschafter. Um das zu erreichen, muss man sich bemühen, die Partnerschaften zwischen den beiden Wirtschaftssubjekten zu stimulieren. Man muss sich weiterhin bemühen um grenzüberschreitende Projekte, besonders in kleinen und mittleren Unternehmen, zwischen Regionen Österreichs, Kroatiens, Italiens, Sloweniens und Ungarns, die teilweise auf die Finanzierungen aus den EU-Mitteln angewiesen sind, zu stimulieren. Ich lege auch besonders viel Wert auf die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten unserer beiden Länder. Gemeinsame Studienprojekte ermöglichen jungen Leuten bessere Karrieremöglichkeiten, sich schneller an die neuen Forderungen des Arbeitsmarktes anzupassen. Austausch der kulturellen Programme zwischen Österreich und Kroatien, wie neulich die "Woche der kroatischen Musik in Wien", ermöglicht ein besseres Verständnis zwischen unseren beiden Ländern. Was mir besonders am Herzen liegt, ist die Vertiefung der wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit zwischen Kroatien und den burgenländischen Kroaten, die schon seit hunderten Jahren kroatische Kultur pflegen, um ihre eigene Identität zu bewahren. "Cercle Diplomatique et Economique International", Sommerausgabe CD 281 (Juli 2005)

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