Im Rahmen einer umfassenden Beilage über Kroatien veröffentlichte das »Handelsblatt« am 7. 5. 2003 einen Artikel der kroatischen Botschafterin, Dr. Vesna Cvjetkovic Kurelec. Hier bringen wir den Artikel in seiner seiner ursprünglichen Fassung, die von der veröffentlichten nur unwesentlich abweicht.
Rückkehr nach Europa
Gesamteuropäisches Kulturerbe verbindet
Im Rahmen einer umfassenden Beilage über Kroatien veröffentlichte das »Handelsblatt« am 7. 5. 2003 einen Artikel der kroatischen Botschafterin, Dr. Vesna Cvjetkovic Kurelec. Hier bringen wir den Artikel in seiner seiner ursprünglichen Fassung, die von der veröffentlichten nur unwesentlich abweicht.
Rückkehr nach Europa
Gesamteuropäisches Kulturerbe verbindet
In einer Ansprache anlässlich der Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats am 28. April 2003 in Berlin sagte der Präsident des Bundestags, Wolfgang Thierse, die Völker Europas seien nicht nur durch die Wirtschaft, sondern vor allem auch durch ihre gemeinsame Kultur verbunden. Und er erinnerte zugleich an die grundlegende Aufgabe des Europarats, nie wieder den Krieg als Mittel der Politik zuzulassen. Beide Aussagen ließen die anwesenden kroatischen Abgeordneten aufhorchen – denn sie gaben den Kern der Debatte im Sabor, dem kroatischen Parlament , im Dezember letzten Jahres wieder, als der Beschluss über den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union einstimmig gefasst wurde.
Bundestagspräsident Thierse hielt seine Rede im Berliner Kulturforum und verwies mit Nachdruck auf die 900 Jahre europäischer Kultur, die an den dort untergebrachten Kunstsammlungen abzulesen seien und die die heutige demokratische Gesellschaftsordnung in Europa hervorgebracht hätten. Nun befinden sich im Bestand dieser Sammlungen auch Werke kroatischer Maler aus der Renaissance und dem Barock: Sie sind ein Teil des gesamteuropäischen Kulturerbes, dem Kroatien seit frühester Zeit beigetragen hat. Die Präsenz kroatischer Künstler und Wissenschaftler im europäischen Geistesleben dauert ununterbrochen bis heute, nicht zuletzt in Deutschland, mit dem besonders enge Verbindungen existieren. Darüber hinaus war die kroatische Kultur in ihrer bisherigen Entwicklung nicht nur rezeptiv, nahm nicht nur bestimmte Impulse auf, um sie schlichtweg wiederzugeben, sondern brachte auch selbst Impulse hervor, die in der europäischen und globalen Kunst und Kultur Resonanz fanden und wirksam wurden.
Der Wunsch Kroatiens, diese Entwicklung fortzusetzen und seinen vollen Beitrag zum vereinigten und freien Europa zu leisten, stellt die Grundlage des genannten Beschlusses des Sabor dar. Mit seiner Umsetzung hat die kroatische Regierung im Februar dieses Jahres begonnen, indem sie ihren Antrag auf EU-Mitgliedschaft der griechischen Präsidentschaft überreichte. Seit der Schließung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der EU im Jahr 2001 ist dies der bedeutendste Schritt auf dem Weg, den man anschaulicherweise als die Rückkehr Kroatiens nach Europa bezeichnen kann. Dabei erscheinen die mancherorts geführten Diskussionen über den zeitlichen Rahmen dieses Vorhabens weniger bedeutend. Was zählt, ist die Entschlossenheit, den europäischen Weg zu gehen und die daraus hervorgehenden Aufgaben zu bewältigen.
In dem durch das Parlament gesetzten Ziel, die Mitgliedschaft in der Europäischen Union anzustreben, kommen auch nicht minder bedeutende sicherheitspolitische Erwägungen zum Ausdruck. Die Entwicklung Kroatiens war bis vor nicht so langer Zeit von einer Krise geprägt, die gerade durch den Einsatz des Kriegs als eines Mittels zur Verwirklichung politischer Vorstellungen und wirtschaftlicher Interessen hervorgerufen wurde. Die grundlegende Erkenntnis aus dieser schweren Periode ist, dass die Stabilität der südosteuropäischen Region, wie auch die Stabilität in Europa überhaupt, von dem Fortschritt der darin stattfindenden Integrationsprozesse abhängt. Die Perspektive eines Miteinanders im Rahmen der EU ist daher das Einzige, was auf die Dauer Frieden und Sicherheit für die betroffenen Staaten gewährleisten kann. Heute können wir mit Zufriedenheit feststellen, dass sich diese Einsicht mittlerweile in ganz Südosteuropa durchgesetzt hat.
In den Bemühungen, nachhaltige politische Einigkeit und Stabilität in der Region zu erreichen, hat sich vor allem ein Mittel bewährt: die Förderung wirtschaftlicher Entwicklung und Zusammenarbeit. Da dieser Bereich die wahrscheinlich stärkste Triebfeder aller Integrationsbestrebungen darstellt, gelten die größten Anstrengungen der kroatischen Regierung gerade der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt. Dabei ist zwar nicht jeder Zug ein Erfolg gewesen, doch in Anbetracht der Aufgabe, die ehemalige Planwirtschaft zu restrukturieren und zugleich für die Kriegsschäden aufzukommen (zu mehr als 90% aus eigenen Quellen), dürfen wir mit den Ergebnissen nicht unzufrieden sein, sondern haben allen Grund, mit Optimismus in die Zukunft zu blicken.
Die im März veröffentlichten Berichte der Europäischen Kommission über den Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess für Südosteuropa im Allgemeinen und die Fortschritte Kroatiens im Besonderen bescheinigen eine weitere Verbesserung der Wirtschaftslage im Verhältnis zum Vorjahr. Bei weniger als einem Viertel der gesamten Einwohnerzahl der Region (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Serbien und Montenegro, Makedonien) erwirtschaftet Kroatien fast die Hälfte des gesamten Bruttoinlansprodukts dieser Länder. Nach Kroatien fließt ebenfalls die Hälfte der ausländischen Direktinvestitionen in die Region, die im Jahr 2002 pro Kopf 230 € ausmachte. (Im Vergleich dazu lagen die ausländischen Direktinvestitionen in den zehn Kandidatenländern bei 250 € pro Kopf im Jahr 2001.)
Diese Tatsachen erlauben die Schlussfolgerung, dass Kroatien im politischen wie im wirtschaftlichen Sinne auf dem richtigen - und das heißt: auf dem europäischen Weg ist. Und das ist wiederum auf seine grundlegende, auf gemeinsamen kulturellen Prämissen beruhende Kompatibilität mit den EU-Ländern zurückzuführen. In diesem Sinne möchte ich auch das Wort Wolfgang Thierses von der völkerverbindenden Rolle der Kultur deuten: Unter gleichen kulturellen Voraussetzungen wird erfolgreiche wirtschaftliche Zusammenarbeit zu einer rein technischen Angelegenheit.
Oder um es ein wenig anders - und wesentlich einfacher - zu formulieren, sei es mir erlaubt, einen deutschen mittelständischen Unternehmer zu zitieren: »Man muss den Leuten [die in Kroatien investieren möchten] nur klar machen, dass sie dort das gleiche wie in Deutschland bekommen, nur eben preisgünstiger.«
Dr. Vesna Cvjetkovic Kurelec
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